Mein Ausflug zum Mobi nach Schönkirchen bei Kiel.
Freitagmittag, die Tasche ist endlich fertig gepackt. Ein Griff zu Stöcken und Rucksack und los ging's. Berlin-Südkreuz. Es ist äußerst praktisch, von hier zu starten: entspannt einsteigen, einen Platz in Ruhe suchen, das recht große Gepäckstück verstauen, sich setzen und es sich für ein paar Minuten gemütlich machen. Geschafft. Der nächste Halt: Berlin-Hauptbahnhof. Da standen sie nun, die anderen Reisewilligen. Wer noch nicht geübt ist im Deutsche-Bahn-Fahren, der steigt garantiert nicht nur in den falschen Wagen, sondern auch noch von der falschen Seite ein, um seinen reservierten Platz zu suchen. So erging es wohl jedem, am Anfang. Es staute sich also wie so oft. Ich saß. Zwar auf dem falschen Platz, wie ich wenige Minuten später feststellte, aber egal. Passiert auch den etwas fortgeschrittenen Anfängern. Lektion eins an diesem Tag. Ich lächelte in mich hinein.
Je näher wir dem Umsteigebahnhof Hamburg Hbf kamen, desto öfters war zu hören, dass wir Verspätung haben. Ach was, dachte ich so. Die anderen auch. Manche mit Ton. Sie, also die von der Bahn, haben aber so lange gewartet, bis volle 20 Minuten erreicht wurden und alle Anschlusszüge nicht mehr zu schaffen waren. Fand ich gut. Fand ich besser als eine Salami- und Foltertaktik der Verspätungsdurchsagen. Klare Ansage, klare Fakten. Gut. Nicht zu ändern. Was ich auch gut fand war, dass alle möglichen Alternativzugverbindungen nach X oder Y mit 2-3 Abfahrtzeiten genannt wurden. Ich hätte mitschreiben sollen. Schade. Mein Gehirn ist wohl nicht für so viel Input am Wochenende ausgelegt. Ich musste das Zugpersonalaufenthaltskabuff suchen. Drei Wagen weiter, gefunden. Zwei Zugbegleiter hielten sich tatsächlich dort auf. Ich hatte also wieder Glück. Ich erhielt dort gezielt Auskunft über die Alternativverbindungen nach Kiel und meinen Stempel auf dem Ticket. Zurück zum Platz. Und jetzt mit dem Gepäck zur Tür. Netterweise war dort ein Display, was mir digital verriet, wo sich die Türen öffnen würden: im Zugrichtung links. Ich blockierte die Tür. Taktisch klug dachte ich. Den Trolley machte ich derweil einsatzbereit: Ich öffnete den rückwärtigen Reißverschluss und zauberte Rucksack- und Hüftflossengurte hervor. Startklar gemacht stand er da und hielt mir zudem aufdringliche Ich-muss-hier-raus-Drängler vom Leib. Die anderen Aussteigewilligen taten es mir nach und rückten an. Aus beiden Richtungen. Die ersten Gespräche begannen mit Fragen wie: "Müssen Sie auch...?", "Haben Sie das mitbekommen, wo...?", "Meinen Sie wirklich, das klappt mit...?". Neben mir stand eine, na ich sag' mal optische "Hamburger Lady" im Kostüm, von Wind und Wetter gegerbte und gefaltete schätzungsweise Mittsechzigerin, vermutlich einst eine gute Tennisspielerin oder Seglerin. Sie trommelte mit ihren Schuhen auf den Boden. Hätte sie gekonnt, wie sie gewollt hätte, wären vermutlich verbale Entgleisungen ihrem Mund entwichen. So brabbelte und brummelte sie stöhnender Weise vor sich hin. Soso, dachte ich. Das mit der nordischen Gelassenheit scheint zumindest ihr unbekannt zu sein. Oder ich bin falsch informiert. Oder sie ist nicht aus Norddeutschland. Des einen Leid, des anderen Freud. Ich wurde nämlich umso ruhiger, je ärgerlicher sie wurde. Innerlich bedankte ich mich bei ihr. Mit einem Lächeln.
Der Zug schlich sich an. Schneller ging nicht. Der Bahnsteig war gerappelt voll. Sollte eine Person auf die Gleise fallen, fiele das mengenmäßig gar nicht auf. Sind noch genug andere da, dachte ich leicht sarkastisch amüsiert. Ich schulterte also den dicken Trolley, öffnete die Tür, nahm einen Quadratmeter des Bahnsteigs zum Aussteigen ins Visier und wurschtelte mich durch. Bis zur nächsten Bahnwagentür. Ich ließ gewähren und folgte nun dem großen Mann, der sich wiederum bis zur nächsten Wagentür den Weg bahnen musste. Alle anderen hinterher. So ging das bis zur nächst besten Treppe. Habe ich schon erwähnt, dass der Hamburger Bahnhof eine einzige Katastrophe ist? Ich muss mir angewöhnen, den zu meiden, dachte ich. Während die anderen Schwerbepackten ihr Zeug hoch wuchteten, suchte ich mir ein schlankes Gässchen hindurch. Ich war oben und hielt Ausschau nach einem DB-Schalter wegen weiterer Alternativverbindungen direkt nach Kiel und nicht über Rom, Paris oder Moskau. Ich beschloss nämlich, mich nicht kirre machen zu lassen und in Ruhe eine Direktverbindung zu suchen. Oben auf der Ebene, sofern man diese so nennen kann, ging es mit der gleichen Taktik weiter: Slalom laufen, Einfädeln, Deckung suchen um blitzschnell, also gefühlt blitzschnell in die nächste Gasse zu witschen. Hätte ich einen Ball am Fuß gehabt, hätte man meinen können, ich wäre Lionel Messi. Vielleicht nicht ganz so schnell, dafür aber genauso klein und wendig, ja gut, ich bin dicker. Zumindest auf'm Rücken. Ich näherte mich meinem eigentlichen Umsteigegleis. Nee. Das gibt's doch gar nicht. Ist das meiner? Doch. Ich verglich schon leicht triumphierend die Ticketdaten mit der Gleisanzeige. Doch, er ist es. Er wartet auf mich. Auf mich? Na gut, nicht wirklich. Da, die Treppe, hinein in die Gassen und flinken Fußes runter und rein in den Zug. Drin war ich, und siehe da: Die ebenerdige Schwergepäckablage ist frei. Kann das sein? Kurz geschaut, ob das die Holzklasse ist. Ja, ich war richtig. Hier konnte ich bleiben. Also, Trolley und Stöcke verstaut und zack, die nächste Frau wegen des freien Sitzes neben ihr angesprochen. Ich durfte mich setzen. Und war glücklich. Dieser Zug hatte also auch seine Verspätung. Wegen des hohen Zugaufkommens, wurde durchgesagt. Überall staute es sich auf den Schienen. Umwege mussten aufgrund der wahrlich schlimmen fast deutschlandweiten Hochwassersituationen gefahren werden, damit die Reisenden ihr Ziel erreichten. Trotz all dem Bahnchaos gab es keine schlechte Stimmung. Lag vielleicht auch daran, dass die "Hamburger Lady" nicht in der Nähe war. Der Zug fuhr an, nachdem ich schon viele Minuten saß. In Kiel angekommen gönnte ich mir ein Taxi. Ich wusste, dass er nicht die kürzeste Strecke wählen wird, schließlich hört man mir das schon an, dass ich keine Einheimische bin und Bescheid weiß. Auch das war mir egal. Gutes Wetter, guter Smalltalk, gute Landung. Gute Reise, gute Besserung. Alles gut so wie es war. Glück im Unglück. Am Freitag.
- Hier käme jetzt die Berichterstattung zum Mobi in Schönkirchen, von A bis Z, aber das ist jetzt nicht das Thema... also denkt Euch den Teil oder lest an anderer Stelle nach, danke. -
Fortsetzung folgt...
Freitagmittag, die Tasche ist endlich fertig gepackt. Ein Griff zu Stöcken und Rucksack und los ging's. Berlin-Südkreuz. Es ist äußerst praktisch, von hier zu starten: entspannt einsteigen, einen Platz in Ruhe suchen, das recht große Gepäckstück verstauen, sich setzen und es sich für ein paar Minuten gemütlich machen. Geschafft. Der nächste Halt: Berlin-Hauptbahnhof. Da standen sie nun, die anderen Reisewilligen. Wer noch nicht geübt ist im Deutsche-Bahn-Fahren, der steigt garantiert nicht nur in den falschen Wagen, sondern auch noch von der falschen Seite ein, um seinen reservierten Platz zu suchen. So erging es wohl jedem, am Anfang. Es staute sich also wie so oft. Ich saß. Zwar auf dem falschen Platz, wie ich wenige Minuten später feststellte, aber egal. Passiert auch den etwas fortgeschrittenen Anfängern. Lektion eins an diesem Tag. Ich lächelte in mich hinein.
Je näher wir dem Umsteigebahnhof Hamburg Hbf kamen, desto öfters war zu hören, dass wir Verspätung haben. Ach was, dachte ich so. Die anderen auch. Manche mit Ton. Sie, also die von der Bahn, haben aber so lange gewartet, bis volle 20 Minuten erreicht wurden und alle Anschlusszüge nicht mehr zu schaffen waren. Fand ich gut. Fand ich besser als eine Salami- und Foltertaktik der Verspätungsdurchsagen. Klare Ansage, klare Fakten. Gut. Nicht zu ändern. Was ich auch gut fand war, dass alle möglichen Alternativzugverbindungen nach X oder Y mit 2-3 Abfahrtzeiten genannt wurden. Ich hätte mitschreiben sollen. Schade. Mein Gehirn ist wohl nicht für so viel Input am Wochenende ausgelegt. Ich musste das Zugpersonalaufenthaltskabuff suchen. Drei Wagen weiter, gefunden. Zwei Zugbegleiter hielten sich tatsächlich dort auf. Ich hatte also wieder Glück. Ich erhielt dort gezielt Auskunft über die Alternativverbindungen nach Kiel und meinen Stempel auf dem Ticket. Zurück zum Platz. Und jetzt mit dem Gepäck zur Tür. Netterweise war dort ein Display, was mir digital verriet, wo sich die Türen öffnen würden: im Zugrichtung links. Ich blockierte die Tür. Taktisch klug dachte ich. Den Trolley machte ich derweil einsatzbereit: Ich öffnete den rückwärtigen Reißverschluss und zauberte Rucksack- und Hüftflossengurte hervor. Startklar gemacht stand er da und hielt mir zudem aufdringliche Ich-muss-hier-raus-Drängler vom Leib. Die anderen Aussteigewilligen taten es mir nach und rückten an. Aus beiden Richtungen. Die ersten Gespräche begannen mit Fragen wie: "Müssen Sie auch...?", "Haben Sie das mitbekommen, wo...?", "Meinen Sie wirklich, das klappt mit...?". Neben mir stand eine, na ich sag' mal optische "Hamburger Lady" im Kostüm, von Wind und Wetter gegerbte und gefaltete schätzungsweise Mittsechzigerin, vermutlich einst eine gute Tennisspielerin oder Seglerin. Sie trommelte mit ihren Schuhen auf den Boden. Hätte sie gekonnt, wie sie gewollt hätte, wären vermutlich verbale Entgleisungen ihrem Mund entwichen. So brabbelte und brummelte sie stöhnender Weise vor sich hin. Soso, dachte ich. Das mit der nordischen Gelassenheit scheint zumindest ihr unbekannt zu sein. Oder ich bin falsch informiert. Oder sie ist nicht aus Norddeutschland. Des einen Leid, des anderen Freud. Ich wurde nämlich umso ruhiger, je ärgerlicher sie wurde. Innerlich bedankte ich mich bei ihr. Mit einem Lächeln.
Der Zug schlich sich an. Schneller ging nicht. Der Bahnsteig war gerappelt voll. Sollte eine Person auf die Gleise fallen, fiele das mengenmäßig gar nicht auf. Sind noch genug andere da, dachte ich leicht sarkastisch amüsiert. Ich schulterte also den dicken Trolley, öffnete die Tür, nahm einen Quadratmeter des Bahnsteigs zum Aussteigen ins Visier und wurschtelte mich durch. Bis zur nächsten Bahnwagentür. Ich ließ gewähren und folgte nun dem großen Mann, der sich wiederum bis zur nächsten Wagentür den Weg bahnen musste. Alle anderen hinterher. So ging das bis zur nächst besten Treppe. Habe ich schon erwähnt, dass der Hamburger Bahnhof eine einzige Katastrophe ist? Ich muss mir angewöhnen, den zu meiden, dachte ich. Während die anderen Schwerbepackten ihr Zeug hoch wuchteten, suchte ich mir ein schlankes Gässchen hindurch. Ich war oben und hielt Ausschau nach einem DB-Schalter wegen weiterer Alternativverbindungen direkt nach Kiel und nicht über Rom, Paris oder Moskau. Ich beschloss nämlich, mich nicht kirre machen zu lassen und in Ruhe eine Direktverbindung zu suchen. Oben auf der Ebene, sofern man diese so nennen kann, ging es mit der gleichen Taktik weiter: Slalom laufen, Einfädeln, Deckung suchen um blitzschnell, also gefühlt blitzschnell in die nächste Gasse zu witschen. Hätte ich einen Ball am Fuß gehabt, hätte man meinen können, ich wäre Lionel Messi. Vielleicht nicht ganz so schnell, dafür aber genauso klein und wendig, ja gut, ich bin dicker. Zumindest auf'm Rücken. Ich näherte mich meinem eigentlichen Umsteigegleis. Nee. Das gibt's doch gar nicht. Ist das meiner? Doch. Ich verglich schon leicht triumphierend die Ticketdaten mit der Gleisanzeige. Doch, er ist es. Er wartet auf mich. Auf mich? Na gut, nicht wirklich. Da, die Treppe, hinein in die Gassen und flinken Fußes runter und rein in den Zug. Drin war ich, und siehe da: Die ebenerdige Schwergepäckablage ist frei. Kann das sein? Kurz geschaut, ob das die Holzklasse ist. Ja, ich war richtig. Hier konnte ich bleiben. Also, Trolley und Stöcke verstaut und zack, die nächste Frau wegen des freien Sitzes neben ihr angesprochen. Ich durfte mich setzen. Und war glücklich. Dieser Zug hatte also auch seine Verspätung. Wegen des hohen Zugaufkommens, wurde durchgesagt. Überall staute es sich auf den Schienen. Umwege mussten aufgrund der wahrlich schlimmen fast deutschlandweiten Hochwassersituationen gefahren werden, damit die Reisenden ihr Ziel erreichten. Trotz all dem Bahnchaos gab es keine schlechte Stimmung. Lag vielleicht auch daran, dass die "Hamburger Lady" nicht in der Nähe war. Der Zug fuhr an, nachdem ich schon viele Minuten saß. In Kiel angekommen gönnte ich mir ein Taxi. Ich wusste, dass er nicht die kürzeste Strecke wählen wird, schließlich hört man mir das schon an, dass ich keine Einheimische bin und Bescheid weiß. Auch das war mir egal. Gutes Wetter, guter Smalltalk, gute Landung. Gute Reise, gute Besserung. Alles gut so wie es war. Glück im Unglück. Am Freitag.
- Hier käme jetzt die Berichterstattung zum Mobi in Schönkirchen, von A bis Z, aber das ist jetzt nicht das Thema... also denkt Euch den Teil oder lest an anderer Stelle nach, danke. -
Fortsetzung folgt...